Es ist vorbei. Es ist wirklich vorbei. Uncharted 4 ist der angeblich letzte Ableger der Serie, die die Marke PlayStation seit 2007 geprägt hat. Entwickelt vom Studio Naughty Dog, das damals mit dem ersten Uncharted Neuland betrat und heute preisgekrönt ist – auch wegen The Last of Us, das nebenbei mein Lieblingsspiel der letzten 10 Jahre ist. In Uncharted 4 finden sich tatsächlich auch einige Elemente aus The Last of Us, doch dazu später mehr.
Ich gebe zu, die Uncharted-Reihe konnte mich persönlich nie so richtig begeistern. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich die drei Vorgänger erst dann spielte, als Uncharted 3 bereits ein paar Jahre alt war. Ich konnte zwar verstehen, was den Reiz ausmachte, nämlich die draufgängerischen Charaktere, die filmreife Story, die wahnsinnigen Stunts und die damals tolle Grafik. Doch zu nervig fand ich die Ballereinlagen, die meist nach dem gleichen Schema abliefen: Man hat mit Nathan gerade eine ruhige Passage hinter sich gebracht, ist also geklettert oder hat gerätselt, und betritt ein neues Gebiet. “Hm, da liegen ja einige Waffen samt Munition herum, gleich neben diesem Steinblock, den man als Deckung verwenden könn…”, und schon fliegen einem die Kugeln entgegen. Zig Gegner greifen gleichzeitig an und sie alle wissen genau, wo man ist. Man hat keine Wahl, man muss kämpfen. Dazu frisst jeder Gegner ca. ein Dutzend Kugeln, bevor er stirbt. Ein Rückzug ist auch nicht möglich, der Bereich ist in alle Richtungen versperrt. Es ist eine klassische Arena. Tötet man ein paar Gegner, rennen neue herbei, bis eine bestimmte Anzahl getötet wurde und das Spiel schließlich den Gegner-Hahn zudreht. Nathan gibt einen erleichterten Kommentar von sich und man kann in Ruhe looten und den Ausgang aus dieser Arena suchen.
Dann kam The Last of Us, das zu meiner Freude alles ganz anders machte. Die Stimmung war sehr düster und viel erwachsener, und Kämpfe fanden seltener und gegen weniger Gegner statt, waren dafür aber umso intensiver. Man konnte Gegner durch Schleichen umgehen oder sie leise mit dem Messer ausschalten. Zur Schusswaffe griff man erst dann, wenn es wirklich nötig war. Warum ich das alles erzähle? Naughty Dog hat sich bei Uncharted 4 deutlich von The Last of Us inspirieren lassen.
Keine Sorge, die Stimmung ist Uncharted-typisch immer noch heiter. Es herrscht Abenteuerlust, es wird herumgealbert, es wird geklettert wie eh und je und alte Bekannte wie Sully und Elena sind wieder dabei. Sogar Nathans totgeglaubter Bruder Sam ist fast durchgehend mit von der Partie. Doch die Kämpfe haben sich geändert. Gegner wissen (von ein paar Ausnahmen abgesehen) nicht automatisch, wo ihr seid. Dadurch ist es nun möglich, sich an Gegner ranzuschleichen und diese leise per Genickbruch auszuschalten. Wenn ein Feind vor einem Abgrund steht, wird er einfach runtergeschubst. Das alles wird auch durch das neue “hohe Gras” ermöglicht, das immer zufällig in der Nähe von bösen Buben wächst. Bewegt man sich in der Hocke durch dieses Gras, ist man für Gegner unsichtbar. Somit ist es nun auch möglich, sämtliche Feinde in einem Gebiet zu umgehen. Einfach ist es nicht, aber es ist machbar. Und: Habt ihr alle sichtbaren Gegner in einem Gebiet besiegt, spawnen keine neuen mehr nach. Ein paar wenige storybedingte Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Erstmals kann man also wirklich strategisch vorgehen, weil man weiß, mit wie vielen Feinden man es zu tun hat. Daraus folgt wiederum, dass weniger geschossen wird als in früheren Teilen. Ironischerweise gibt es aber mehr unterschiedliche Schusswaffen als je zuvor, sodass man schon fast gar nicht dazu kommt, sie alle auszuprobieren.
Allgemein lässt es Nathan in Uncharted 4 ruhiger angehen als früher. Nach den Ereignissen von Uncharted 3 hatte er die Schatzsucherei aufgegeben und arbeitet seitdem als Taucher für eine Bergungsfirma. Zusammen mit Ehefrau Elena lebt er in New Orleans ein ganz normales Leben. Zu normal für Nathan Drake, würde man denken. Doch auch er ist älter geworden und will sich keinen Risiken mehr aussetzen, auch Elena zuliebe. Oder doch? Sehr gut gemacht ist die Szene beim gemeinsamen Abendessen im Wohnzimmer, bei der Elena gerade von ihrer Arbeit als Autorin erzählt und Nathans Blick gedankenverloren durchs Zimmer wandert und an einem gerahmten Foto einer tropischen Insel hängenbleibt. Bis Elena ihn mit ihrer Gabel anpiekst, weil er offensichtlich nicht zuhört. Diese Szene verdeutlicht Nathans Dilemma: Einerseits hat er Sehnsucht nach den gefährlichen Abenteuern von früher, andererseits hat er Elena versprochen, nie wieder auf Schatzsuche zu gehen. Doch dann taucht plötzlich sein totgeglaubter Bruder Sam auf, der in Schwierigkeiten steckt. Die Lösung seiner Probleme sei ein gewisser Schatz, und Nathan solle ihm helfen, ihn zu finden…


Damit geht für Nathan & Co. die Uncharted-typische Suche nach dem Schatz los, nur um immer wieder festzustellen, dass der Schatz doch nicht dort war, wo sie ihn vermutet hatten. Bis sie ihn ganz am Ende dann doch finden. Auf dem Weg dahin werden Rätsel gelöst, die zwar sehr abwechslungsreich, aber nie besonders schwierig sind. Dafür wird (gefühlt) mehr geklettert als je zuvor, wobei Nathan wieder zahlreiche Felsvorsprünge und Konstruktionen “aus Versehen” zerstört und spektakuläre Stunts hinlegt, die kein normaler Mensch je überlebt hätte. Eine Neuerung beim Klettern ist der Enterhaken mit Seil, womit Nathan sich über weite Abgründe schwingen oder sich einfach hochziehen/herablassen kann. Ich muss aber sagen, dass das viele Geklettere mir in diesem Uncharted-Teil später schon leicht auf die Nerven ging, denn das letzte Drittel des Spiels zieht sich sehr und hätte kürzer sein sollen. Und ich hab’s kapiert, Naughty Dog, der Enterhaken ist ganz neu und ganz toll und ich soll ihn oft benutzen. Irgendwie ist Nathan früher aber auch ohne ausgekommen, und sooo innovativ ist das Ding nun auch wieder nicht.
Aber auch beim Klettern findet man Einflüsse aus The Last of Us. Oft hilft man dem Bruder per Räuberleiter auf eine höhergelegene Plattform, woraufhin dieser eine Leiter herablässt. Oder man schiebt eine Kiste auf Rollen herum, damit man irgendwo hochkommt. Oder man hebt ein Tor hoch, damit der andere sich unten durchquetschen kann. Sogar das grüne Viereck über dem Kopf, das ein optionales Gespräch signalisiert, wurde übernommen. Da fühlte ich mich manchmal schon fast wie Joel. Ganz wie Nathan fühlte ich mich dagegen bei den riesigen Landschaften, die ich durchquerte. Noch nie war ein Uncharted so groß und weitläufig, dass es sich manchmal wie ein Open World-Spiel anfühlt. Es ist zwar immer noch linear, aber es werden meist mehrere Wege zum Ziel angeboten. Das geht so weit, dass ich mich in Madagascar mit dem Geländewagen einmal tatsächlich verfahren hatte und nicht mehr wusste, wohin. Ja, diesmal ist man öfter mit Fahrzeugen unterwegs. Mehrmals im Geländewagen, einmal im Schnellboot. Das Besondere ist, dass man jederzeit aussteigen und die Gegend zu Fuß erkunden bzw. “erschwimmen” kann. Auch gibt es fürs Auto häufig keine vorgegebenen Straßen, denen man unbedingt folgen müsste. Stattdessen kann man kreuz und quer durch Wasser und Schlamm fahren wie man lustig ist (und weiß dann vielleicht manchmal nicht mehr, wo man überhaupt hin musste *hust*).


Das, was an übermäßigem Geballer fehlt, wurde durch Story und Erkundung ersetzt, allgemein durch ruhigere Momente. Man spielt mehrmals Nathan als Kind und erfährt u.a. mehr über die Mutter, warum die beiden Brüder sich irgendwann den Nachnamen Drake gaben und wie sie wirklich hießen. Auch wird mehr von Sam gezeigt und warum er als tot galt. In anderen Kapiteln klettert oder fährt man ein wenig, erkundet vergessene Orte und unterhält sich dabei mit Sam, Sully oder Elena, je nachdem, wer gerade dabei ist. In solchen storylastigen Kapiteln fällt teilweise kein einziger Schuss, weil es eben keine Gegner zum erschießen gibt. Das hätte ich von einem Uncharted wirklich nicht erwartet, und wieder werde ich an The Last of Us erinnert, vor allem an den DLC Left Behind. Naughty Dog will wohl zeigen, dass Uncharted auch ohne non-stop Action funktioniert. Vor allem aber werden am Ende keine Fragen offengelassen, damit klar ist, dass dieser Teil auch wirklich das letzte Spiel rund um Nathan Drake sein wird.
Und das Beste zum Schluss: Uncharted 4 sieht wahnsinnig gut aus. Das muss hier selbst die “PC Master Race” zugeben. Besser hat noch kein Konsolenspiel ausgesehen, Punkt. Die kräftigen Farben, die Weitsicht, die Texturen, die Lichteffekte, die Animationen, die Kantenglättung, die Mimik der Protagonisten, die Explosionen, die Wassereffekte. Und das bei 1080p und konstanten 30 FPS, nur sehr selten sinkt die Framerate ein wenig darunter. Natürlich stimmt die englische Vertonung auch wieder; ein letztes Mal mit Nolan North als Nathan Drake, Richard McGonagle als Victor Sullivan und Emily Rose als Elena Fisher. Sam Drake wird von keinem Geringeren als Troy Baker gesprochen, der neben Dutzenden anderer Videospielfiguren auch Joel aus The Last of Us seine Stimme gab.
Fazit
Uncharted 4 ist kein “typisches” Uncharted, und genau deshalb ist es für mich der beste Teil der Serie. Fast alle meine Kritikpunkte, die ich bei den Vorgängern hatte, wurden beseitigt. Endlich kein stumpfes Geballer mehr, endlich eine funktionierende Stealth-Mechanik, endlich eine realistische Story – von den Stunts mal abgesehen. Diesmal gibt’s nämlich keine komischen Zombie-Mutanten, keine blauen Shambhala-Übermenschen, keine Yetis und was sich Naughty Dog sonst noch so im Suff ausgedacht hatte. Kein Virus, das Menschen in Zombies verwandelt. Kein Harz, das übermenschliche Kräfte verleiht. Kein Wasser vom bösen Djinn, von dem man Halluzinationen bekommt. Stattdessen geht es schlicht und ergreifend um einen Piratenschatz und eine geheime Piratenkolonie. Sämtliche Feinde im Spiel sind Menschen, meistens Söldner. So glaubwürdig und bodenständig war noch kein Uncharted, was es erfrischend anders macht. Woran denkt jedes Kind, wenn es das Wort “Schatz” hört? An Piraten! Darauf hätte Naughty Dog wirklich schon früher kommen können. Im Spielverlauf wird auch klar, dass es keine Fantasiewesen und Monster braucht, um die Story interessant zu machen, denn wir Menschen waren und sind grausam genug zueinander – vor allem, wenn Gier und Neid im Spiel sind. Action wird dennoch genug geboten, z.B. in einer gewissen Verfolgungsjagd, die spektakulärer nicht sein könnte und den unzähligen halsbrecherischen Aktionen. Die Spieldauer hätte aber etwas kürzer sein dürfen. Insgesamt eine sehr gute Mischung aus ruhigen Momenten und Action, die leider erst jetzt beim letzten Teil der Serie erreicht wurde. Mach’s gut, Nathan!
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